Tag 1 – Kennenlernen, Biografie und Identität
Am 19.03.2022 startete der erste Teil unserer vierteiligen Empowerment-Workshopreihe für junge Asiat*innen. Insgesamt 12 Teilnehmer*innen aus der chinesischen, koreanischen, malaysischen, philippinischen und vietnamesischen Community waren eingeladen worden, gemeinsam mit dem Workshopleiter Toan Nguyen sich mit den Themen Rassismus und Diskriminierung auseinanderzusetzen und zu lernen, wie sie damit umgehen und zugleich eine gestärkte Haltung gegenüber diskriminierender Benachteiligung einnehmen können. Da die Empowerment-Workshops im Rahmen der Aktionswochen gegen Rassismus in Charlottenburg-Wilmersdorf stattgefunden hat, wurde der erste Teil der Workshops in diesem Bezirk durchführt. Dank der netten Kooperation mit dem Divan e.V. konnte der Empowerment-Workshop in den großzügigen Räumlichkeiten des Nachbarschaftszentrum veranstaltet werden.
Nach der Ankunft und Anmeldung begrüßte das Veranstaltungsteam alle Teilnehmer*innen und hieß sie willkommen. Workshopleiter Toan übernahm sodann die Leitung des Workshops und erklärte den geplanten Ablauf für den Samstag.
Gestartet wurde zunächst dann mit einer Ankommensrunde. Die Teilnehmer*innen sollten sich dafür eine von vielen Postkarten aussuchen, die sich in der Mitte des Stuhlkreises befanden und am besten ihre gegenwärtige Gefühlslage widerspiegelt. Auch wurden sie im Voraus gebeten, einen Gegenstand mitzubringen, der für sie eine stärkende Wirkung hat. Abwechselnd stellten sich die Teilnehmer*innen mithilfe vorgegebener Fragen vor.
Es war spannend zu sehen, welche unterschiedlichen Hintergründe die Teilnehmer*innen mitbrachten. So waren einige aufgrund des Studiums nach Deutschland gekommen, während andere hier eine Ausbildung absolvierten. Es gab auch bereits ein paar Berufstätige unter den Teilnehmenden. Viele Teilnehmer*innen sind erst seit ein paar Jahren in Deutschland und andere wiederum schon über ein Jahrzehnt.
Nach der Ankommensrunde haben die Teilnehmer*innen durch den Musik-Tanz nun die Gelegenheit bekommen, sich einander besser kennenzulernen. Dabei wurden die Stühle alle im Raum verteilt, wobei immer zwei Stühle gegenübergestellt wurden. Musik wurde gespielt und die Teilnehmer*innen bewegten sich dazu im Raum und setzten sich dann hin, sobald die Musik verstummte. Über eine vorgegebene Fragestellung tauschten sich daraufhin die zwei Personen aus, die sich gegenübersaßen. In der letzten Runde sollten sich die Gegenübersitzenden überlegen, welche Fragen sie zu den Themen Rassismus und Diskriminierung in den nächsten Tagen bearbeiten möchten, und ihre Fragen aufschreiben. Damit endete auch der Musik-Tanz und ging gleichzeitig in die nächste Aktivität des Tages über.
Dazu wurde zunächst einmal alle Fragen auf einer Pinnwand gesammelt, wobei die Fragen unter fünf Kategorien unterteilt werden konnten:
Die Teilnehmer*innen sollten sodann die für sie interessantesten Fragen heraussuchen. Die Fragen mit den meisten Stimmen waren nach der Abstimmung:
Nach einer Mittagspause, in der sich alle für die die zweite Hälfte des Tages mit leckerem Essen stärken konnten, wurden die Teilnehmer*innen in drei Gruppen eingeteilt, um jeweils eine Frage zu bearbeiten. Doch bevor die Gruppenarbeit anfing, wurde noch eine kurze Brainstorming-Einheit eingeschoben. Zu den Themen Rassismus und Diskriminierung sollten die Teilnehmer*innen auf einem großen Plakat alles festhalten, was ihnen dabei einfiel. Dabei ist ein sehr komplexes und auch vielseitiges Bild entstanden. Mit den Themen wurden beispielsweise Vorurteile, Machtsystem und auch soziale Benachteiligungen verbunden. Auch Wörter wie Trauma, Schmerz und Mikroaggressionen sind gefallen.
Anschließend gingen die Teilnehmer*innen in ihre Gruppen, die ihnen zugeteilte Frage zu bearbeiten und diskutieren. Ausführlich tauschten sich die Teilnehmer*innen aus und hielten alles auf einem Plakat fest. Die Ergebnisse sollten dann am nächsten Tag im großen Plenum vor den anderen Teilnehmer*innen präsentiert und anschließend diskutiert werden.
Der erste Tag endete mit einer Reflexionsrunde. Nach diesem ersten intensiven Einstiegstag konnten die meisten bereits sehr viel mitnehmen und alle waren schon gespannt, was der nächste Tag mit sich brachte.
Der zweite Tag des Empowerment-Workshops begann mit einer kleinen vietnamesischen Tai-Chi-Einheit. Motiviert starteten die Teilnehmer*innen dann mit der Präsentation ihrer Gruppenergebnisse aus dem Vortag. Den Anfang machte die Gruppe mit der Frage „Wie soll ich den Mut zum Widerstand gegen Diskriminierung aufbauen?“. Diese Gruppe war der Ansicht, dass es für die Beantwortung dieser Frage zunächst auch schon Mut verlangen zu erkennen, dass Rassismus und Diskriminierung überall existieren. Auch sei es wichtig selbst zu reflektieren, dass man selbst auch rassistisch sein könnte und Vorurteile haben könnte. Um nach diesen Selbsterkenntnissen Mut zum Widerstand gegen Diskriminierung und Rassismus aufzubauen, sollten Betroffene eingangs sich mit diesen Themen auseinandersetzen. Durch diese Wissensaneignung zu diesen Themen könnte ein Verständnis für die Mechanismen und Wirkungsweisen von Rassismus verstanden und somit das gestörte Selbstwertgefühl wiedererlangt werden. Im zweiten Schritt könnte der Mut dann verstärkt werden, indem ein Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen und Verbündeten erfolgt, um Strategien zu entwickeln und sich gegenseitig aufzubauen. Gemeinsam können sie konkrete Szenarien üben, wie z.B. in bestimmten Situationen „Stopp!“ zu sagen oder auch den*die Täter*in zur Rede zu stellen und zum Perspektivwechsel aufzufordern. Schließlich solle dann dieser Mut im Alltag geübt und angewendet werden.
Die zweite Gruppe versuchte die Frage „Wie erkenne ich Rassismus im Alltag?“ zu beantworten, indem sie eigene Erfahrungen anführten. Dabei unterschieden sie zwischen indirektem und direktem Rassismus. Unter indirektem Rassismus verstanden sie versteckte diskriminierende Handlungen, die von Vorurteilen behaftet sind. So erfuhren sie indirekten Rassismus beispielsweise auf dem Wohnungsmarkt oder auch bei der Jobsuche. Einige Teilnehmer*innen berichteten auch von Racial Profiling durch Polizeibeamt*innen. Beim direkten Rassismus hingegen handle es sich um offene Diskriminierungen, die Betroffenen in der Öffentlichkeit im Alltag erleben müssen. Dazu zählte die Gruppe Belästigungen wie „Ching, Chang, Chong“, „Schlitzaugen“, „Nihao“ und seit der Corona-Pandemie auch Aussagen wie „China-Virus“ und „Corona“. Wichtig sei den Teilnehmer*innen auch, dass Medien und die sozialen Medien eine entscheidende Rolle in der Verbreitung eines negativen Bildes von Asiat*innen spielen.
Abschließend stellte die dritte und letzte Gruppe ihre Ideen vor, wie diskriminierende Erfahrungen im Nachhinein verarbeitet werden können. Für diese Gruppe war es zunächst wichtig die eigenen Erlebnisse selbst zu reflektieren, um die Gefühle erst einmal zu sortieren und anschließend auch benennen zu können. Danach sei es ratsam, strategisch vorzugehen und Gleichgesinnte und andere Leidensgenoss*in zu suchen und mit ihnen die Erfahrungen auszutauschen. Wem das allerdings schwerfalle, könne auch die Gedanken vorerst aufschreiben. Es gehe zumindest fürs Erste darum, dass die gemachte Erfahrung ausgesprochen und somit die betroffene Person entlastet wird. Geteilter Schmerz sei nun mal halber Schmerz. Weiterhin sei geboten, sich Wissen über Themen wie Rassismus und Diskriminierung anzueignen, um sich dafür in Zukunft zu sensibilisieren. Schließlich sei es für die Verarbeitung auch von großer Wichtigkeit zu erkennen, dass es nie eine passende Lösung für jede Situation geben wird.
Nach diesen sehr interessanten und lehrreichen Präsentationen wurden die Teilnehmer*innen in einzelne Gruppen eingeteilt, um in ihren Muttersprachen über den bisherigen Empowerment-Workshop zu reflektieren. Gebildet wurden insgesamt drei Gruppen – eine chinesische, eine vietnamesische sowie eine gemischte Gruppe, die sich auf Deutsch unterhielt. Eine Mittagspause wurde anschließend eingelegt.
Nachdem sich alle ausruhen und stärken konnten, begann der zweite und letzte Teil des Tages. Gemeinsam haben die Teilnehmer*innen bei einer kollegialen Fallberatung zwei reale Erfahrungen von zwei Teilnehmer*innen aufgearbeitet. Dabei sollte zunächst die betroffene Person ihre Geschichte mit der Gruppe teilen und ihnen dann eine Frage stellen, die sie gern von der Gruppe beantwortet haben möchte. Unter der Moderation des Workshopleiters suchte die Gruppe daraufhin Lösungen für die gestellte Problemfrage des*der Betroffenen. Da sich alle Teilnehmer*innen drauf verständigt haben, dass das Gesagte nicht außerhalb der Gruppe nach außen getragen werden darf, kann hierzu deswegen nicht berichtet werden. Was jedoch auf jeden Fall aber erwähnt werden kann, ist, dass die kollegiale Fallberatung gezeigt hat, wie viel Empathie und Verständnis die Gruppe mitbrachte und wie schön es zu sehen war, wie sie sich alle Teilnehmer*innen einander aufbauen und empowern konnten – auch nach so vielen traurigen Erlebnissen.
Auch der zweite Tag endete mit einer Reflexionsrunde. Geschafft von zwei intensiven, aber auch unterhaltsamen Workshoptagen verabschiedeten sich die Teilnehmer*innen. Nun werden sie Zeit haben, über das Erlebte zu reflektieren und neue Energie zu tanken bis sich alle wieder zum zweiten Teil der Empowerment-Workshops wiedertreffen, welche am 23. Und 24. April 2022 stattfinden werden. Seid daher gespannt auf den nächsten Bericht zum zweiten und letzten Empowerment-Workshop für junge Asiant*innen!
Für die Kooperation und freundliche Bereitstellung der Räumlichkeiten für das Empowerment-Workshop möchte sich das Projektteam nochmals bei dem Nachbarschaftszentrum Divan e.V. herzlich bedanken!
In Kooperation mit: